Wohnen in Finnland

Wie wohnen die Finnen? Die Dänen wohnen in reetgedeckten Häusern in den Dünen, die Schweden in roten (oder bunten) Holzhäusern auf grünen Wiesen und die Norweger in Blockhäusern am Fjord. :-) Aber die Finnen? Die Einfamilienhäuser sind meistens wie in Deutschland oder auch sonst in Skandinavien, jedenfalls verschiedene Stile. Aber oftmals gibt es Wohnviertel, besonders aus den 60er und 70er Jahren, die in Plattenbauweise wie in der DDR hochgezogen wurden und keineswegs ansehnlicher sind. Von innen sind die finnischen Häuser und Wohnungen eigentlich alle sehr gemütlich aber von außen sind viele doch eher häßlich. Meine Vermutung wäre, daß dies ein bißchen an der finnischen Mentalität liegt: Die Wohnung ist heilig, daher auch gemütlich. Bescheidenheit ist eine der wichtigsten Eigenschaften, und mit Reichtum zu protzen ist eine Todsünde. Daher müssen Häuser auch von außen nicht repräsentativ sein. Anders verhält sich das natürlich bei öffentlichen Gebäuden, die durchaus repräsentativ sein dürfen und von den besten Architekten des Landes entworfen werden. Wichtig ist jedoch eine klare Linie und die Funktionalität.


Als Austausch-Student wohnt man in Tampere meistens in einem Studentenwohnheim weit draußen, dafür aber sehr billig. Für ein Zimmer in einer 3er oder 4er WG zahlen Studenten um die 300,- DM incl. Nebenkosten und Benutzung von Waschmaschine, Sauna und Fernsehraum. Wenn man wie ich rechtzeitig bei TOAS - das ist die Wohnheimverwaltung in Tampere - bescheid gesagt hat, dann bekommt man ein Zimmer in einer WG. Es gibt zwar auch in der Innenstadt Studentenwohnheime, aber da wartet man ungefähr ein bis zwei Jahre drauf. Jedenfalls wohnen alle Austauschstudenten weit außerhalb der Innenstadt, aber eben noch in Tampere. Wenn man Glück hat, sieht das aus wie in einer kleinen Feriensiedlungen, wenn man Pech hat, wohnt man im Hochhaus. Das heißt, ich wohne wie in Berlin, Hamburg oder Bremen einfach mal weit weg vom Ort des Geschehens, zahle aber auch nur etwa 270,- DM für ein recht großes Zimmer: Ca. 16 qm - so groß wie meine gesamte Wohnung in Bremen. Natürlich wohnen einige andere Austausch-Studenten auch in meiner "Siedlung", aber wenn man welche woanders besuchen will, kann es sein, daß man erst in die Stadt fahren muß, weil es keinen direkten Busanschluß gibt. Die meisten Wohnheime sind etwa 15-20 Min. mit dem Bus von der Innenstadt entfernt, was etwa 1:20 h ergibt, wenn man zu Fuß geht (ohne sich dabei zu verlaufen). Hab ich einmal ausprobiert, um die Zeit abschätzen zu können, wird nicht wieder vorkommen... ;-)

In den TOAS-Wohnheimen leben viele Leute nebeneinander her, ohne sich wirklich zu kennen - ja, manchmal sogar ohne wirklichen Kontakt miteinander zu haben. Eine richtige WohnGEMEINSCHAFT ist das nicht. Sie teilen zwar eine Wohnung, aber jeder macht sein eigenes Ding. Zugegebenermaßen: Man wird einfach in eine Wohnung gesteckt (in seltenen Fällen sogar zu zweit in ein Zimmer, wenn akute Wohnraummangel herrscht), ohne daß man seine Mitbewohner vorher kennt oder fragt. Es wird lediglich nach Geschlechtern getrennt. (Allerdings gibt es auch "family apartments", für die man sich getrennt anmelden kann.) Doch anstatt das beste draus zu machen und seine Mitbewohner kennen zu lernen, verschließen sich viele Finnen. Zum Teil ist die Einstellung, daß man den anderen nicht in seiner Ruhe stören will. Eine häufige Konversation in der ersten Zeit unter den Austausch-Studenten war deshalb:

A: "Mit wem wohnst Du zusammen?"
B: "Mit einem Finnen."
A: "Und? Spricht der?"
;-)

Ich selbst hatte Glück. Als ich einzog, dachte ich zuerst, daß die Wohnung komplett leer stünde, weil die Küche so aufgeräumt war, wie ich das noch nie in einer WG erlebt hatte. Aber in der Tat, war das Gegenteil der Fall.

Als erstes lernte ich einen Chinesen kennen, der mir mitteilte, daß er am nächsten Tag auszieht. Naja, kein Problem. Jedenfalls brauchten wir uns gar nicht erst aneinander gewöhnen. Noch am selben Abend habe ich dann Atte getroffen, meinen ersten echten Finnen. Der sprach sogar ein wenig. Nicht wirklich viel, aber immerhin. Sein Englisch war relativ gut.

Einen Tag später als der Chinese dann ausgezogen war, habe ich den nächsten kennengelernt: Kari - auch ein Finne. Der war dann genauso wortkarg wie man es eigentlich erwartet und wie ich es auch in den Klagen der anderen in den nächsten Tagen hörte. Dazu kam, daß sein Englisch eher mittelmäßig war.

Somit hoffte ich, daß in das nunmehr freie Zimmer weder ein Finne noch ein Deutscher aber hoffentlich bald irgendjemand einziehen würde. Denn eine Gemeinschaft waren wir tatsächlich nicht. Bezeichnend dafür ist vielleicht, daß Kari und Atte sich nicht kannten, obwohl Kari schon mehr als zwei Wochen zuvor eingezogen war. Sie lernten sich erst kennen einen Tag nachdem ich Kari begegnet war.

Mein Wunsch wurde dann nach einigem Warten erfüllt. Ich war Donnerstag Abend eingezogen, und Montag früh kam dann Ryan aus Kanada. Ebenso leicht und erfrischend wie Amerikaner fing er gleich eine Konversation an, wobei auch er natürlich bei Kari anfangs auf Granit biß.

Ich weiß nicht, ob es Mittwoch oder Donnerstag war als Ryan und ich mal die Küche etwas genauer untersuchen wollten, vor allem Kühlschrank und Regale. Ich glaube, es war Kari, der zu Hause war und Atte, der kurze Zeit später heimkam. Jedenfalls räumten wir zusammen die Küche auf. Interessant war, daß die beiden jeder ihren eigenen Kühlschrank im Zimmer hatten - sagt viel aus über das Thema WohnGEMEINSCHAFT. Nichtsdestotrotz war der Kühlschrank randvoll. Wir haben das meiste wegschmeißen können, weil es lange überīs Verfallsdatum war. Ich glaube das älteste war ein Jahr drüber. Im Schrank fanden wir eine Menge Tütensuppen und noch anderes, von dem erstaunlich viel noch haltbar war. Bei den "Kartoffeln" überlegten wir, ob wir sie zum Biomüll bringen oder einpflanzen sollten. Wir haben uns dann für ersteres entschieden. Nebenbei fanden wir auch nützliches: Mehl in rauhen Mengen, Salz, einige Gewürze und einen Kanister Olivenöl, in dem noch bestimmt 3-4 Liter drin waren.

Die ganze Aktion hat mehr als drei Stunden gedauert, und wir sind mehrere Male zum Müll rausgegangen. Hatte ich eigentlich die (leeren) Milchtüten erwähnt, deren Inhalt schon drei Monate zuvor getrunken worden war? ;-)

Ryan und ich hatten für den Abend ein paar Leute eingeladen, noch vorbeizukommen, bevor wir alle gemeinsam in die Stadt zu einer Party fahren wollten. Deshalb wollten wir ja auch aufräumen. Wir waren auch noch dabei, da kamen schon die ersten. Jedenfalls hatten wir seitdem eine richtige WohnGEMEINSCHAFT und ständig eine dreckige Küche. ;-)

Als Strafe für die Sozialisierung in einer WG hat Kari uns ein paar Tage später dazu gezwungen, mit ihm gemeinsam den Flur zu wischen und die Bäder. Und Atte ist seitdem noch weniger zu Hause. (Nein, eigentlich besteht bei letzterem kein kausaler Zusammenhang.) Kari sorgt regelmäßig für einen "Cleaning Day" bei dem alle gemeinsam die Wohnung saubermachen, bzw. jeder einen bestimmten Bereich, aber gleichzeitig, damit niemand behaupten kann, er würde länger arbeiten als die anderen. Karis Englisch ist mit der Zeit auch viel besser geworden. Und persönliche Gespräche hatten wir dann auch schon bald.


Wir haben also insgesamt vier Zimmer, ein Badezimmer und eine zweite Toilette. Mein Zimmer ist recht groß. Wir haben einen Balkon und im Keller einen Aufenthaltsraum und (natürlich!) eine Sauna. Die Waschküche ist in einem anderen Haus, und man muß sich vorher in ein Buch eintragen wenn man waschen oder trocknen will.

Interessant ist, daß Wohnungen in der Stadt auch zimmerweise an Studenten vermietet werden. Vielleicht weil alle Studenten vom Staat Geld bekommen kann und der Vermieter das als Sicherheit ansieht? Sowas wie Hauptmieter und Untermieter gibt's es jedenfalls nicht. Alle Wohnungen - nicht nur die in Studentenwohnheimen - sind durchnummeriert.

Bei uns wird abends um acht die Tür automatisch elektronisch verriegelt, so daß man nur noch mit Schlüssel reinkommt. Das kann ein Problem sein, da es unten am Haus keine Klingel gibt sondern nur oben. In "normalen" Häusern kann das auch vorkommen, obwohl mittlerweile die meisten Sprechanlagen haben.